Hallo Herr Kreitmair, könnten Sie sich bitte in ein paar Sätzen kurz vorstellen:

Mein Name ist Jakob, bin 17 Jahre jung und komme aus Kleinberghofen. Ich engagiere mich motiviert als Jugendkreisrat, Schülersprecher und im Dachauer Schüler*innenbüro.

Wo und wann haben Sie persönlich das erste Mal bewusst Demokratie erlebt?

Zugegebenermaßen kann ich diese Frage nicht präzise beantworten. Im alltäglichen Leben begegnen einem Kind demokratische Abstimmungen durchaus auch oft, bewusst wird es jedoch die Klassensprecherwahl in der Grundschule gewesen sein.

Was motiviert Sie, sich für mehr demokratische Beteiligung einzusetzen?

Wenn ich tagtäglich in sozialen Medien und anderen Formaten die Berichterstattung über Länder sehe, in denen die Menschen hart um eine Freiheit, wie wir sie in Deutschland haben, kämpfen müssen, von ihrer Regierung ignoriert und regelrecht mundtot gemacht werden, setze ich es mir selbst als Ziel, mich so weit wie möglich für unsere Demokratie einzusetzen, um so etwas mir selbst, als auch meinen Mitmenschen und Nachfahren erspart zu lassen.
Wenn ich dann dennoch sehe, wie viele Menschen sich auch in Deutschland rechtsradikalen Gruppierungen anschließen und mein und unser Land, wie wir es in allen Facetten und Unterschieden, multikulturell aber auch kreativ lieben, zunichte machen wollen, sehe ich es als meine Pflicht als Bürger, diesen Menschen die Augen zu öffnen und ihnen, so schön es geht, mit meiner Demokratie ans Bein zu pinkeln. Smiley.

Was bedeutet für Sie Demokratie? Wie definieren Sie Demokratie?

Demokratie ist die Grundlage für alles soziale Miteinander. Es beschreibt das Leben so wie ich es kenne und gewohnt bin.
Wenn ich es nun ganz simpel und für jeden verständlich erklären müsste, würde es so aussehen:
Demokratie ist dadurch für mich definiert, dass alle Gäste ein gleich großes Stück vom Kuchen abbekommen und wir hinterher gemeinsam abstimmen, welcher Film am Abend zusammen angeschaut wird.

Welche Rolle spielt Bildung in der Demokratie?

Bildung spielt meines Erachtens nach eine sehr große Rolle. Bildung für jeden ist ein großer Erfolg der Demokratie. Sie macht es möglich, dass nicht mehr Herkunft oder der Beruf der Eltern entscheidend sind, welchen Weg man selbst in der Zukunft einschlagen wird.
Bildung ist aber auch Wissen und die Begierde, sich Wissen anzueignen. Und mit diesem Wissen kann und soll man die Demokratie positiv beeinflussen, um sie immer besser zu gestalten.

Herr J. Kreitmair mit Plakat der Nikolausaktion (Quelle: Privat)


Wie werden demokratische Werte an Ihrer Schule vermittelt? Was könnte sich verbessern?

Ich ordne meine Schule, das Gymnasium Markt Indersdorf, als sehr demokratisch ein. Wir wählen unsere Schülersprecher aufgrund basisdemokratischer Verfahren, dürfen als Schülerschaft viel mitentscheiden wenn es darum geht wie unser Schulalltag gestaltet und verändert wird. Wir haben aber auch, und das finde ich besonders wichtig zu erwähnen, ausgezeichnete Sozialkundelehrkräfte, die den Schüler*innen die Demokratie erklären und sie verstehen lassen, wie Politik auf verschiedenen Ebenen funktioniert.

Grundsätzlich würde ich eine große Veränderung vornehmen, allerdings auf einer anderen Höhe: Sozialkundeunterricht wird im G8 erst ab der 10. Klasse unterrichtet. Das ist meiner Meinung nach viel zu spät, es bräuchte einen Beginn in der 8. oder aller spätestens der 9. Klassenstufe. Sehr viele Schüler*innen sind bereits zu diesem Zeitpunkt interessiert, bekommen aber von schulischer Seite keine neutralen Informationen geliefert und sind daher besonders durch soziale Medien in diesem Alter leicht beeinflussbar.

Privataufnahme von J. Kreitmair 

Wie sähe idealerweise eine demokratisch strukturierte Schule aus?

Es gibt auf die Frage verschiedene Antwortmöglichkeiten. Es gibt bereits das Modell der "Demokratischen Schule". Viele Inhalte davon sind allerdings praktisch nicht anzuwenden, da der Bildungsgrad meiner Ansicht nach dadurch sehr geschwächt würde. Als Beispiel: Unterricht nur auf freiwilliger Basis, einen Lehrplan gibt es nicht und jeder kann sich in seine Interessen vertiefen. Das würde mein persönliches Grundkonzept der Allgemeinbildung aber völlig aus der Bahn werfen.

Stattdessen finde ich eine Gestaltung des Schullebens deutlich interessanter. Den Schüler*innen gleichermaßen Verantwortung und Entscheidungen überlassen wie etwa den Lehrkräften. So oft und umfassende wie möglich auf basisdemokratischen Wegen Abstimmungen durchführen, um den Kindern und Jugendlichen bereits früh das Prinzip der Demokratie nahezulegen.

Wie stehen Sie zum Herabsetzen des Wahlalters?

Diese Frage bekommt man als Schüler immer wieder gestellt, und auch nach vielen Erörterungen im Deutschunterricht kann ich für mich keine endgültige, klare Entscheidung treffen. (Smiley)
Es gibt viele interessierte, gut informierte, junge Menschen mit 16 Jahren, die bereits ihre Ausbildung machen und dementsprechend Steuern zahlen, aber nicht mitentscheiden dürfen, was mit ihrem Geld passiert. Auf der anderen Seite gibt es jedoch eine massive Zahl an Jugendlichen, die sich entweder nicht für politisches Geschehen interessieren oder durch zu wenig Aufklärung im Unterricht gar nicht an die Thematik herangeführt wurden. Bei diesen Menschen ist die Gefahr besonders groß, dass sie durch Medien oder sogar die Einstellung der Eltern beeinflusst werden und es zu einer Stimmabgabe kommt, die nicht der eigenen Meinung des Wählers/der Wählerin beruht, sondern auf einer zugetragenen.
Aus diesem Grund würde ich aktuell gegen eine immer wieder diskutierte Herabsetzung des Wahlalters auf 16 Jahre aussprechen, könnte mir jedoch den 17. Geburtstag deutlich eher als Wahlalter vorstellen und würde einer Umsetzung zustimmen.

Was können Sie Ihren Mitschülern auf den Weg mitgeben?

Es ist wichtig, sich für verschiedene Dinge zu engagieren und mitzuwirken. Sich über Sachen zu beschweren, die schlecht laufen, das kann wirklich jeder. Aber bei diesen Problemen anzusetzen, mit anderen Menschen Lösungen zu entwickeln, auch wenn sie nicht immer der eigenen Meinung entsprechen, das braucht Kompetenzen und ist für jeden immer wieder ein Stück Neuland. Und diese Erfahrungen sind eine Bereicherung für einen jeden, die im Leben vieles routinierter und einfacher machen können.

Wie ließe sich das Schulleben demokratischer und partizipativer gestalten?

Man müsste Anreize schaffen, um mehr Kinder und Jugendliche zu begeistern. Wie heißt es leider so oft: "Die Engagierten sind meistens immer die gleichen". Und genau diesen Satz unwirksam zu machen, finde ich zentral. Ein möglicher Grund: Engagement außerhalb des Unterrichts wird in der schulischen Laufbahn nur am Rande erwähnt. Es wird zwar stets geschätzt und als positiv angesehen, eine Auswirkung auf Beurteilungen wie etwa durch Noten gibt es aber nicht. Daher machen sich viele gar nicht erst die Mühe sich einzubringen, denn oft kostet es auch Zeit und Kraft. Und wieso engagieren wenn ich nichts ersichtliches davon habe? Klar, dieser Satz ist natürlich grottenfalsch, jedes Engagement ist eine Bereicherung für andere Situationen und schafft Erfahrung, aber viele können das vorher nicht wissen.

Wenn es ein allgemeines Demokratisches Manifest geben würde, welche drei Punkte sollten unbedingt enthalten sein und was sollte auf keinem Fall drinstehen?

  1. Die Würde eines jeden Menschen muss stets bewahrt werden. Unterteilungen in Gruppierungen aufgrund etwaiger gemeinsamer Kennzeichen sind ein absolutes NO-GO.
  2. Jeder Bürgerin muss in seiner Meinung und Ansicht gerecht und ausreichend vertreten werden.
  3. Die Bedürfnisse aller Einwohner*innen müssen sowohl mit der Gegenwart, als auch mit einem Ausblick in die Zukunft vereinbar sein. Es müssen stets längerfristige Lösungen entwickelt werden, die das Potential zur Nachbesserung bieten. Soziales Miteinander und Wohlbefinden sind das größte Ziel.

Was darf definitiv nicht drinstehen:
Menschenverachtende, gewaltverherrlichende oder andere Aspekte die die Freiheit oder das Wohlbefinden jedes Individuums einschränkt oder gar zunichte macht.

Zusammenfassend: Was ist Ihr Statement zur Demokratie und Partizipation?

Die Demokratie ist lapidar ausgedrückt eine wahnsinnig coole, schützenswerte "Sache". Sie aufrechtzuerhalten gelingt nur durch Partizipation jedes einzelnen, damit alle Interessen und Meinungen vertreten werden können.